Article note: #thx4sharing!

Schon seit vielen Jahren haben die großen internationalen Wissenschaftsverlage ein äußerst lukratives Geschäftsmodell etabliert. Sie profitieren davon, dass die öffentliche Hand einen Großteil der Arbeit bezahlt: An öffentlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen angestellte Wissenschaftler*innen schreiben in den allermeisten Fällen nicht nur honorarfrei über ihre Forschung. Sie übernehmen außerdem auch im unabhängigen Begutachtungsprozess des Peer-Review kostenlos für die Verlage die Qualitätssicherung wissenschaftlicher Zeitschriftenartikel. Eine jüngst veröffentlichte Studie geht davon aus, dass sich der Gegenwert des durch öffentlich bezahlte Wissenschaftler*innen geleisteten Peer-Reviews weltweit auf einen Milliardenbetrag summiert. Und auf einem dritten Weg fließen öffentliche Gelder in eine Veröffentlichung: Die Bibliotheken abonnieren oder kaufen die Zeitschriften und Bücher von den Verlagen, so dass die Angehörigen ihrer Einrichtungen sie nutzen können. 

Verlage wie Elsevier, Springer Nature und Wiley haben sich inzwischen ein Oligopol erarbeitet – in Deutschland flossen an sie bis 2015 über die Hälfte der Ausgaben der deutschen Universitätsbibliotheken. Mit immer weiter steigenden Preisen erzielen sie Gewinnmargen von bis zu 30 Prozent, die sonst auf legalem Wege wohl nur in der Pharmabranche zu erreichen sind. Gleichzeitig sind die Etats der Bibliotheken stagniert oder gesunken, was seit Mitte der 1990er-Jahre zu einer regelrechten Zeitschriftenkrise geführt hat. Die hohen Subskriptionspreise sorgen dafür, dass der Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen für immer mehr Menschen nicht frei möglich ist. 

Lizenzhinweis

Kenneth C. Zirkel, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Open Access wird zum Geschäftsmodell für Verlage
Daher richteten sich große Hoffnung auf die Transformation hin zu Open Access. Die digitale Transformation versprach neben dem freien Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen und anderen Materialien im Internet auch kostengünstigeres Publizieren. Doch dem Ziel einer nachhaltigen Forschungsinfrastruktur, die einen freien Zugang zu Texten, Daten und Code für alle ermöglicht, sind wir dabei nur einen kleinen Schritt näher gekommen. Die großen internationalen Verlage haben das Open-Access-Prinzip längst in ihre Geschäftsmodelle eingebaut. Autor*innen bezahlen nun vorab Publikationsgebühren (bei Zeitschriften sogenannte Article Processing Charges), die in vielen Fällen von ihren Institutionen übernommen werden. Gleichzeitig bezahlen Universitäten und Bibliotheken weiterhin hohe Subskriptionspreise, um Zugang zu Verlagsveröffentlichungen zu erhalten, die für alle anderen hinter einer Bezahlschranke liegen. Diese Praxis des „double dipping“ – also des doppelten Griffs in die öffentlichen Kassen – wird seit Jahren kritisiert. Durch ihre marktbeherrschende Stellung diktieren die großen Verlage auch hier weiterhin die Preise

Um in dieser Situation Handlungsfähigkeit zurückzuerlangen, wurde 2014 von der Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen das Projekt DEAL ins Leben gerufen. Unter Federführung der Hochschulrektorenkonferenz verhandelt die DEAL-Gruppe im Auftrag aller deutschen wissenschaftlichen Einrichtungen mit Elsevier, Springer Nature und Wiley bundesweit neue Vertragsmodelle. Diese Verhandlungen blieben nicht reibungslos. So liegen die Verhandlungen mit Elsevier aktuell auf Eis, nachdem vorangegangene Verlagsangebote nach Überzeugung der Allianz nicht den Prinzipien von Open Access und einer fairen Preisgestaltung entsprachen. Seit Oktober 2017 haben zahlreiche namhafte Wissenschaftler*innen ihre Herausgeberschaft für Zeitschriften von Elsevier niedergelegt. Ende 2016 bzw. 2017 haben rund 200 wissenschaftliche Einrichtungen ihre Lizenzverträge mit Elsevier nicht verlängert.

Lizenzhinweis

Villy Fink Isaksen, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Vorbild Facebook: Wie Datentracking die freie Wissenschaft gefährdet
Mitten hinein in diese zugespitzte Situation, in der eine Ablösung des bestehenden Zeitschriftensystems wieder stärker diskutiert wird, platzt nun ein neues Thema, das so neu gar nicht ist: Datentracking. Schon 2017 zeigte eine Untersuchung auf, dass sich das Geschäftsmodell der wissenschaftlichen Großverlage erneut verändert – in diesem Fall noch grundlegender als je zuvor. Mit gut gefüllter Kasse haben sie in den letzten Jahren damit begonnen, ihr Geschäftsmodell weg von wissenschaftlichen Inhalten und hin zu Datenhandel und Datenanalyse zu entwickeln, analog zu den großen Internetkonzernen. Hierfür haben Elsevier, Springer Nature und Wiley gezielt Tools und Services eingekauft, um komplette technologische Infrastrukturen zu schaffen, die alle Aspekte des wissenschaftlichen Forschungszyklus abdecken. Dazu gehören auch verschiedene Anbieter und Tools, die noch vor wenigen Jahren als unabhängige Open-Science-Projekte gestartet sind. Hierbei geht es nicht nur darum, neue Einnahmequellen zu generieren. Vielmehr ist das Ziel, Wissenschaftler*innen mit all ihren Aktivitäten in verlagseigenen Plattformlösungen und Ökosystemen zu binden und so den gesamten wissenschaftlichen Arbeitsprozess zu monopolisieren

So wird es möglich, Daten über Wissen, wissenschaftliche Entwicklungen und wissenschaftliche Akteur*innen zu sammeln, zu aggregieren und zu monetarisieren. Dabei geht es nicht länger nur um die Inhalte der Veröffentlichungen selbst, sondern um das Nutzungsverhalten einzelner Wissenschaftler*innen. So sind beim Aufruf eines Aufsatzes der Zeitschrift Nature beispielsweise rund 70 verschiedene Trackingtools aktiv, die sowohl vom Verlag selbst als auch von Drittunternehmen, die selbst als Data Broker aktiv sind. Mit welchen Daten diese Daten zusammengeführt und an wen solche personalisierten Profile am Ende weiterverkauft werden, das weiß man nicht. Was man weiß ist, dass zum Elsevier-Mutterkonzern RELX auch Lexis Nexis gehört. RELX kann daher quasi berufliche Daten mit privaten Daten kombinieren und verkauft diese beispielsweise an Strafverfolgungsbehörden, die solche Daten selbst nicht sammeln dürfen. Nicht nur die Deutsche Forschungsgemeinschaft befürchtet daher, dass nicht nur das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt wird, sondern Wissenschaftler*innen auch direkt gefährdet werden können, wenn solche personalisierten Daten von autoritären Regimes gekauft und ausgewertet werden, die bewusst in die Freiheit von Forschung und Lehre eingreifen und unliebsame Perspektiven bekämpfen wollen.
In ihrem Informationspapier problematisiert die Deutsche Forschungsgemeinschaft dieses Geschäftsmodell außerdem auf gesellschaftlicher Ebene: “Es besteht ein Risiko, dass die Wissensgesellschaft durch diese Verschiebung des kommerziellen Geschäftsmodells hin zur Datenanalytik privatisiert wird und letztlich nicht mehr die öffentliche Hand, sondern zunehmend private Unternehmen über das Wissen über Forschungsinhalte und -tendenzen, ihre Institutionen und Akteure verfügen. Wissenschaft als öffentliches Gut wird der Logik der Privatisierung von Infrastrukturen und ihren Folgen unterworfen.”

Podiumsdiskussion
„Wenn Du nicht für das Produkt bezahlst, bist du selbst das Produkt?“
Über diese Privatisierung von öffentlichem Gut und die Kommerzialisierung von Wissenschaft möchten wir am Donnerstag, 9. Dezember, 16.30-18.30 Uhr diskutieren. Die Podiumsdiskussion mit dem Titel “Wenn du nicht für das Produkt bezahlst, bist du selbst das Produkt?” wird von Wikimedia Deutschland und dem Open-Access-Büro Berlin organisiert. Das Center for Open and Responsible Research (CORe) der Berlin University Alliance (BUA) und der Deutsche Bibliotheksverband (dbv) unterstützen diese Veranstaltung.

Zugang ohne Anmeldung per Zoom.

Unsere Gäste sind:

Björn Brembs, Professor für Neurogenetik an der Universität Regensburg,

Andreas Degkwitz, Direktor der Universitätsbibliothek der Humboldt Universität zu Berlin und Bundesvorsitzender des Deutschen Bibliotheksverbandes (dbv),

Angela Holzer, ist Referentin in der DFG Gruppe Wissenschaftliche Literaturversorgung und  Informationssysteme,

Julia Reda, Politikerin und Expertin für Urheberrecht und Kommunikationsfreiheit und leitet seit 2020 bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte das Projekt control © – Freie Kommunikation verwirklichen.

Die Podiumsdiskussion wird moderiert von Jan Martin Wiarda.

Wie weit geht die Kommerzialisierung Offener Wissenschaft? Ist die Wissenschaftsfreiheit in Gefahr?
„Wenn du nicht für das Produkt bezahlst, bist du selbst das Produkt?“ – dieser und weiterer Fragen geht eine Podiumsdiskussion an der FU Berlin nach: https://t.co/pRX43PBZrR pic.twitter.com/vzDaxE6dgb

— iRights.info (@iRightsinfo) November 25, 2021

If you are not paying for the product, you are the product? Am 9.12. diskutieren @Senficon, @HolzerAngela @dfg_public, @brembs & A.Degkwitz @UBHumboldtUni @bibverband, moderiert v. @JMWiarda // @WikimediaDE @skupien_stefan @BerlinUAlliance

Alle Infos:https://t.co/COiSNkVwAw

— OA-Büro Berlin (@oa_berlin) November 8, 2021

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Article note: 1st: #nice .oO(2nd: Warum sind so viele CC-Sachen so 'unhübsch' ...? :-|)

Icons sagen mehr als tausend Worte: Ab sofort und zur freien Nachnutzung (unter CC0-Lizenz) stellt die FH Potsdam ein Paket von über 100 Icons zur Bebilderung und Illustration, z.B. für Präsentationen, Grafiken oder Publikationen, zum Download zur Verfügung. Das Material ist ein erstes Ergebnis aus der Umsetzung der Open-Access-Strategie des Landes Brandenburg, dem nun schrittweise viele weitere Inhalte folgen werden.

Das Ziel der Strategie für Open Access ist, öffentlich finanzierte Inhalte aus der Wissenschaft, Forschung und Bildung ebenso öffentlich zugänglich zu machen. So sind sie für die Allgemeinheit als Public Domain nutzbar. Wikimedia Deutschland initiiert in diesem Prozess, so auch in Brandenburg, Kooperationen, gibt Ratschläge und formuliert Forderungen. Auch verschiedene Wikimedia-Projekte werden zu wichtigen Tools für Open Access: Mit dem Neustart von ccsearch, dem freien Medienarchiv Wikimedia Commons, Tools wie Wikiview und dem Lizenzhinweisgenerator  wird es etwa immer leichter, frei lizenzierte Materialien zu finden und nachzunutzen. Wir freuen uns, dass diese Kooperation nun Früchte trägt.

Neue Vernetzungs- und Kompetenzstelle geplant

Als nächstes soll dieser Impuls durch eine zügige Einrichtung einer Vernetzungs- und Kompetenzstelle zu Open Access in Brandenburg fortgeführt werden. Mehr öffentlich finanzierte Inhalte und Werke aus Brandenburg werden so grundsätzlich für die Allgemeinheit frei zur Verfügung stehen und nutzbar gemacht. 

Mehr Informationen zu Open Access in Brandenburg: https://zenodo.org/communities/openaccess_bb

Danke an Julian Kücklich für die Bereitstellung der Illustrationen unter CC-0 und an das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg.

Eine kleine Auswahl der Icons

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Article note: #verygood2read! #thx

Wer den empfehlenswerten Beitrag „Open access: The true cost of science publishing“ (2013) gelesen hat, blieb ratlos zurück. Die Einschätzungen über die tatsächlichen Kosten eines wissenschaftlichen Artikels reichten von $300 (Hindawi, PeerJ, Ubiquity Press) bis hin zu $30’000 (Nature). Dabei sind nur wenige Verlage auch wirklich transparent über ihre tatsächlichen Kosten. Neu gehört EMBO dazu. EMBO hat die vergangene Woche detailliert über die Einahmen und Aufwände des Jahres 2017 berichtet.

6’350€ Kosten pro Artikel

Insgesamt wurden im Jahr 2017 in den 4 Journals von EMBO 706 Artikel publiziert.

  • EMBO Journal (Subskriptionsjournal): 280 Artikel
  • EMBO Reports (Subskriptionsjournal): 226 Artikel
  • EMBO Molecular Medicine (Gold OA): 135 Artikel
  • Molecular Systems Biology (Gold OA): 65 Artikel

Die Annahmequote lag gemäss EMBO bei ca. 10%, so dass der Verlag mit etwa 7000 Einreichungen umgehen musste.

Für die Abwicklung dieser 7000 Einreichungen, bzw. dem Publizieren von 706 Artikel hat EMBO 4.48 Mio EUR aufgewendet, wobei sich diese Kosten auf EMBO Press Office (Standort Heidelberg) und Wiley aufteilen:

Aufwände für 4 Journals im Jahre 2017 (Fig 2)

Für Services bei Wiley (Produktion, Verkauf, Marketing, Plattform, Journal Promotion) wurden €2500 pro Artikel an Wiley bezahlt. €3850 pro Artikel gingen an EMBO Press:

Staff working at the four EMBO Press journals include 17 scientific editors (including those with managerial responsibility), three editorial assistants, a data integrity analyst, a project and marketing manager, and a designer. Salaries and employer costs (including pension contributions, health insurance, maternity cover etc.) make up €2.2 Mio. Office expenses, recruitment costs, conference fees, travel and other items add a further €504,000.

Runtergebrochen auf die offensichtlich sehr ordentlich bezahlte Arbeit heisst das:

Editors and assistants spend about 17 hours on a paper that ends up being published, of which six hours are spent after final acceptance on pre-production checks, integrity checks and data curation. For papers that are not reviewed, slightly under two hours are spent on initial quality checks and editorial assessment.

Die grundsätzlichen Aufgaben eines Scientific Editors kann man übrigens einem früheren Job-Inserat entnehmen.

  • Job description Scientific Editor for Embo Journal
    Job description Scientific Editor for Embo Journal

1’880€ Gewinn pro Artikel

Obwohl die Kosten bei EMBO ausserordentlich hoch sind, schaffte es EMBO pro Artikel einen Gewinn von €1’880 einzustreichen, was einer stattlichen Gewinnmarge von 23% entspricht.

Bei seinen zwei Subskriptionsjournals EMBO Journals und EMBO Reports hält EMBO zudem zweimal die Hand auf. Ein Blick in den Hybrid OA Monitor zeigt, dass ingesamt bei 109 Artikel die Hybrid OA Option gewählt wurde. Bei einer Hybrid APC von €4’700 sprechen wir von zusätzlichen Einnahmen von €512’300.

EMBO Journal und EMBO Reports im Hybrid OA Journal Monitor
  • EMBO Journal : 280 Artikel, davon 73 (26%) Hybrid OA
  • EMBO Reports: 226 Artikel, davon 36 (16%) Hybrid OA

Das EMBO-Dilemma

Die Offenlegung der Finanzen erfolgt mit der Erkenntnis, dass für einen vollständigen Flip zu Gold OA die höhe der aktuellen APC €3’300 (Pure Gold OA) €4’700 (Hybrid OA) nicht ausreichen. Dies führt zum Dilemma von EMBO:

“We want to go fully open access. At the moment, we can’t afford to. Who is going to pay and for what?”

Maria Leptin, Direktorin EMBO (Quelle: Zitiert in Science Business)

Mögliche Lösungen?

a) Kosten bei Wiley senken oder ganz weg von Wiley

EMBO betont unermüdlich non-profit zu sein. Wie nun diese Aufschlüsselung der Kosten zeigt, geht dennoch ein substanzieller Teil der Einnahmen an den börsenkotierten Wiley Verlag, welcher solche Partnerschaften auch gerne gegenüber seinen gewinnerwartenden Shareholdern herausstreicht:

Separately, we continue to add important and prestigious society partnerships. Quality matters to the research community and Wiley’s portfolio of brands keeps getting stronger.

Brian A. Napack, CEO John Wiley & Sons, Inc (Q1 2020 Inc Earnings Call)

Diese Partnerschaft mit Wiley sollte von EMBO hinterfragt werden. Wie Bernd Pulverer, Head of Publications bei EMBO, bei einem einem Talk erwähnt, dürften von einem grossen Verlag Wiley hinsichtlich technischer Produktion, Onlinestellung und Vermarktung eigentlich tiefe Kosten durch Skaleneffekte zu erwarten sein und entsprechend kann das Outsourcing an einen kommerziellen Verlag durchaus sinnvoll sein. Doch €2’500 ist extrem hoch. Ich bin überzeugt, dass andere Verlage die gleiche Dienstleistung für einen Fünftel dieser Kosten anbieten können.

Hinsichtlich einer Umstellung auf OA ist zu beachten, dass diverse Kosten aus der Subskriptionswelt sowieso wegfallen, oder extrem verschlankt werden können (bspw. Verkauf und Marketing).

b) Beteiligung von EMBO am Journalgeschäft

Aktuell generieren die Subskriptionsjournals einen zusätzliche Einnahme-Quelle für EMBO. Oder um es zuzuspitzen: EMBO entzieht via Subskriptionen den Forschungsinstituten Geld, nur um es dann später in Form von Förderung wieder in die Forschung zu pumpen. Dabei werden beiläufig auch die Taschen der Shareholder von Wiley gefüllt.

Gemäss Bernd Pulverer, ist man durchaus bereit, auf den aktuellen Gewinn zu verzichten, sollte es nötig sein. Aber weshalb nicht noch einen Schritt weitergehen? Weshalb kann und soll sich EMBO nicht an der Finanzierung des Journalgeschäfts beteiligen?

EMBO wird aktuell durch die Europäische Konferenz für Molekularbiologie (EMBC) finanziert, an welche praktisch alle europäische Staaten einzahlen:

Weshalb nicht diesen Finanzierungsmechnismus auch für die Journals zu nutzen?

Natürlich wäre zu diskutieren, ob die Europäer bereit wären alleine Journals zu finanzieren, in denen dann die ganze Welt publizieren könnten. Schaut man sich in Dimensions die Affilations der im Jahre 2017 publizierten Artikel aller Autorinnen (also nicht nur Corresponding Authors) an, zeigt sich dass 60% aus den Länder stammen, welche EMBC finanzieren.

Mit etwas Goodwill und Kreativität würde sich hier sicher ein passendes Modell finden. EMBC hat beispielsweise heute schon assoziierte Mitgliedschaften von Indien und Singapur, sowie Kooperationsvereinbarungen mit Taiwan und Chile.

c) Überdenken des Exzellenz-Begriffs

EMBO zelebriert Exzellenz und ist stolz auf die 90%-Ablehnungsquoten seiner Journals. Die Selektivität wird dabei als Argument verwendet, weshalb bei EMBO die Kosten so teuer sind:

The bulk of the publishing cost is due to editorial and peer review selection, quality control, and enhancement of manuscripts. Thus, the cost of APCs has to scale with a journal’s degree of selectivity. It is not surprising that there are only a few highly selective OA journals

Bernd Pulverer, https://doi.org/10.15252/embj.2018101215

So wirklich deutlich ist dieses Argument in den nun vorgelegten Zahlen nicht erkennbar, da nicht erwähnt wird, wieviele Einreichungen direkt nach einer 2h-Sichtung durch einen Editor abgelehnt werden und wieviele doch ein Peer-Review durchlaufen bevor sie abgelehnt werden.

Allerdings ist es grundsätzlich einleuchtend, dass wenn mehr Papers angenommen würde, die Kosten pro publizierten Artikel sinken würden.

Aus einer distanzierten Position, stelle ich mir schon die Frage, ob diese künstliche Selektion vor der Publikation nach engen Scope, Neuigkeit und Relevanz um dem Journal den Nimbus von Exklusivität zu geben tatsächlich noch zeitgemäss ist?

Was ist daran exzellent, wenn ein viele Ressourcen des Verlages, der Editoren, der Reviewers und den AutorInnen darauf verschwendet Inhalte abzulehnen, die dann vielleicht sowieso anderswo publiziert werden?

Das macht nicht einmal den EditorInnen bei EMBO Freude:

One part of the challenge is psychological:  that you inherently spend much more time rejecting than accepting papers. That comes with the job, everyone knows that and understands that. But some days you can feel like you turn people down. That can be particularly tough when you know that someone has spent a lot of time on a study. In those cases it helps to remember that editorial decisions are not generally about the technical quality of the work, but the scope relative to our journal. In addition, there are many other journals out there. Just because we cannot offer to publish a paper in The EMBO Journal doesn’t mean that it won’t be published elsewhere.

Anne Niesen, Senior Editor, EMBO Press (Quelle: Blog EMBL Careers)

Müsste es nicht eher das Ziel sein, möglichst effizient viele wissenschaftlich solide (≠ exzellente) Arbeiten zu publizieren? Können wir das Bedürfnis nach Relevanz und Einordnung heute nicht anders und besser angehen, als bloss mit dem Label des Journals. Gerade wenn offensichtlich ist, zu welchen absurden Auswüchsen der Fokus auf selektive Journals führt. Hier finde ich Ansätze, die weg von Journals führen, um einiges vielversprechender. Siehe Talk „Life After the Death of Science Journals“ von Viktor Tracz, Gründer von BMC und F1000.

EMBO hat mit einem transparenten Peer-Review Verfahren bereits viel Innovation geleistet. Mit der aktiven Beteiligung beim angekündigten Service reviewcommons.org, bei dem das Peer-Review vor dem Einreichen bei einem Journal geschehen soll, geht es definitiv in die richtige Richtung. Hier könnte aber in Sinne von Ressourcenoptimierung durchaus noch weiter gedacht werden.

Fazit

Mir ist erst im Laufe der Recherche zu diesem Post bewusst geworden, dass EMBO nicht einfach eine Society von individuellen Forschenden ist, sondern durch und durch öffentlich finanziert wird. Von daher ist die Kostentransparenz und die vollständige Umstellung zu OA in der aktuellen politischen Situation (OA-Strategien diverser Trägerstaaten, Plan S) mehr als hinfällig.

Die Zahlen zeigen, dass sich EMBO mit dem Exzellenz-Argument Luxuslösungen leistet, die überdacht werden sollten. Kann EMBO durch korrigierende Schritte die Kosten senken, sehe ich allerdings viel Potential um die Journals vollständig nach OA umzustellen.

Der Finanzierungsmechanismus von von EMBO bietet sich eigentlich nur so an, um auch auf die Journals übertragen zu werden.

Article note: #hoppala #garnichtmitbekommen +1

Mit der “Open-Access-Strategie des Landes Brandenburg” (PDF) legt heute ein weiteres Bundesland ein Policy-Dokument zur Gestaltung des Transformationsprozesses hin zu Open Access vor. 

Das Dokument, welches heute in Potsdam vorgestellt wurde, beschreibt den Handlungsbedarf auf für die Akteursgruppen Forschende, Hochschulen, Hochschulbibliotheken sowie für die Landesregierung selbst. In einer Pressemitteilung betont Wissenschaftsministerin Martina Münch: 

Wir nutzen die Chancen des digitalen Wandels für Brandenburg: Mit der neuen ‘Open-Access-Strategie‘ schaffen wir die Voraussetzungen für den freien und breiten Zugang zu öffentlich finanzierten und publizierten Forschungsergebnissen in unserem Land. Dieser freie Zugang stärkt nicht nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Hochschulen und Forschungseinrichtungen – er erleichtert auch den Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Gesellschaft. Davon profitieren kleine und mittelständische Unternehmen ebenso wie zivilgesellschaftliche Initiativen oder interessierte Bürgerinnen und Bürger.“

Zur Umsetzung der Strategie soll neben einer Vernetzungs- und Kompetenzstelle ein Fonds zur Finanzierung von Open-Access-Publikationen geschaffen werden.

Herauszuheben ist das Kapitel “Monitoring der Zielerreichung und Maßnahmenumsetzung”, in dem sich das Land und seine Hochschulen zu einem Prozess der Evaluierung der beschriebenen Massnahmen bekennen.

Zuletzt hatte  Thüringen eine Strategie zu Open Access verabschiedet, die mittlerweile auch durch eine Open-Access-Strategie der Thüringer Hochschulen (PDF) flankiert wird. Darüber hinaus haben bereits Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg und Schleswig-Holstein Open-Access-Strategien auf den Weg gebracht. Andere Bundesländer haben die Verankerung entsprechender Policies angekündigt

Disclosure: Ich war für Helmholtz in den Prozess der Strategieentwicklung in Brandenburg involviert.

Article note: +1 (muss mir das aber nochmal genauer anschauen …)

Der „Open Science Monitor“ der EU-Kommission ist online. Auszug aus der Beschreibung des Tools zum Monitoring von Open Science in Europa:

„The Open Science Monitor supports open science initiatives in Europe. It provides a way to assess developments in open science and particularly trends in open science activities over time and comparatively between countries and scientific disciplines. […] The monitor was commissioned by the European Commission Directorate-General for Research and Innovation. It was developed by several partners, led by RAND Europe with the support of Digital Science, Altmetric, figshare and Deloitte.“

Für den Bereich „Open Research Data“ werden Daten  von re3data verwendet:

Open Science Monitor

Eine ausführliche Darstellung der Methodik findet sich auf der Website des Monitors (PDF). Der Monitor greift auf folgende Quellen zu: 101innovations, Altmetric, arXiv, bioRxiv, Clarivate Analytics, F1000Research, figshare, GenBank, Helmholtz-Centre for Environmental Research – UFZ and German Centre for Integrative Biodiversity Research (iDiv), Nature Publishing Group and Palgrave Macmillan, OpenAIRE, PeerJ preprints, Publons, re3data.org, RePEc, SHERPA/RoMEO, SHERPA/JULIET, Taylor & Francis und Wiley. In Zukunft sollen weitere Quellen, z. B. zur offenen Zugänglichmachung von wissenschaftlicher Software und Open Educational Resources integriert werden.

Next-generation metricsPassend zum Thema Metriken für Open Science hat heute die „Expert Group on Altmetrics“, die die Generaldirektion Forschung und Innovation der EU-Kommission berät, ihren Abschussbericht unter dem Titel „Next-generation metrics: Responsible metrics and evaluation for open science“ veröffentlicht.

Die fünf Kernaussagen des lesenswerten Reports lauten: „An open science system should be grounded in a mix of expert judgement, quantitative and qualitative measures“; „Transparency and accuracy are crucial“; „Make better use of existing metrics for open science“;“Next generation metrics should be underpinned by an open, transparent and linked data infrastructure;“ sowie „Measure what matters“.  Damit wird ein deutlicher Kurswechsel bei der Evaluierung von Forschungsleistung vorgeschlagen.

Die Expertinnen und Experten der Arbeitsgruppe empfehlen auch den Standard ORCID zur Identifikation von Autorinnen und Autoren und weiteren Beteiligten im Forschungsprozess verpflichtend im kommenden Rahmenprogramm für Forschung und Innovation (FP9) zu verankern.

Disclosure: Ich bin in zwei der genannten Initiativen involviert: re3data und ORCID DE.