Article note: #wewillc

Cottbus/Babelsberg. Die Polizei befürchtet erneute Ausschreitungen vor dem Regionalliga-Spiel zwischen dem SV Babelsberg und Energie Cottbus. Die beiden Vereine demonstrieren aber Einigkeit. Von Steven Wiesner
Man könnte meinen, es handele sich gar nicht um ein Viertliga-Spiel. So groß ist die Aufmerksamkeit rund um das Brandenburg-Derby zwischen Energie Cottbus und dem SV Babelsberg. Doch die Kameras richten sich nicht nur aus sportlichem Interesse auf das Karl-Liebknecht-Stadion. Vielmehr befürchten viele auch erneute Ausschreitungen wie bei den letzten Aufeinandertreffen beider Vereine.

Nach Informationen der „Potsdamer Neueste Nachrichten“ werden 1000 bis 1500 Fans aus Cottbus erwartet. Heiko Schmidt von der Polizeidirektion West sagte der Zeitung: „Es ist nicht auszuschließen, dass gewaltbereite Fans beider Fanlager das Spiel besuchen werden.“ Im April 2017 war es schon einmal zu skandalösen Vorkommnissen mit Hitlergrüßen im Energie-Block gekommen. Im Mai 2018 beim Landespokalfinale wurde dann die Siegerehrung für Energie mit Babelsberger Pyro-Attacken gecrasht.

Babelsberg und Energie Cottbus appellieren an Fans
Droht nun eine Wiederholung derartiger Randalen? Energie-Trainer Claus-Dieter Wollitz sagt: „Beide Vereine tun gut daran, Druck rauszunehmen. Mit der Presse­mitteilung ist das geschehen.“ In der Verlautbarung, die beide Klubs gemeinsam verfassten, heißt es: „Das Karl-Liebknecht-Stadion soll Bühne für ein spannendes Fußballspiel und für friedlichen Fan-Support sein. Beide Vereine appellieren an ihre Fans, für einen würdigen Rahmen für das Brandenburg-Derby zu sorgen und sich von jeglicher Form von Gewalt zu distanzieren. Beide Klubs fordern ihre Anhänger auf, in ihren Fankurven keinen Platz zu bieten für Anfeindungen, Hetze, Diskriminierungen und Provokationen.“

Wollitz ergänzt: „Unsere Fans haben sich beim Pokalfinale 2018 fantastisch verhalten. Und ich glaube, dass sie wissen, dass am Sonntag ganz Deutschland hinguckt. Und gerade dann kann man sich von der besten Seite zeigen.“

Article note: #interessant! (Nur schade, dass die News einen Tag nach der Veranstaltung rein kam ... :-\)

Ende 1989 wurden in Potsdam mehrere Häuser besetzt. Insgesamt 70 Besetzungen gab es dann in den 1990er Jahren. Auf dem Höhepunkt – 1993 und 1994 – waren zeitweise etwa 30 Häuser gleichzeitig besetzt. Dort lebten insgesamt 250 Menschen. Damit galt Potsdam damals, gemessen an der Einwohnerzahl, als die Hauptstadt der Hausbesetzer. Doch dann ging es bis zur Jahrtausende bergab. Das Machtvakuum der Wendezeit war vorüber, die Polizei ging oft rabiat gegen die Szene vor. Nur einige Hausprojekte bekamen Nutzungsverträge oder wenigstens Ausweichquartiere. Die meisten besetzten Häuser wurden geräumt. Seitdem gibt es alle paar Jahre mal wieder einen Versuch, der aber schnell beendet wird.

Der Historiker Jakob Warnecke, Jahrgang 1977, hat 2017 seine Doktorarbeit zu Hausbesetzungen im Potsdam der 1980er und 1990er Jahre abgeschlossen. Im Frühjahr 2019 ist eine erweiterte Version als Buch veröffentlicht worden. An diesem Donnerstag stellt er es um 19 Uhr im Literaturladen »Wist« in der Potsdamer Dortustraße 17 vor. Eingeladen hat ihn die Rosa-Luxemburg-Stiftung.

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In Potsdam hatte die Szene ganz andere Voraussetzungen als in Westdeutschland, wo in die Hausbesetzungen der 1970er Jahre diverse kommunistische Splittergruppen involviert waren. Warnecke beschreibt, wie in Potsdam das Schwarzwohnen zu DDR-Zeiten den Boden für die späteren Hausbesetzungen bereitet hat. Leute drangen in leere Wohnungen ein und versuchten, keine große Aufmerksamkeit zu erregen, um nicht ertappt zu werden.

Die Wohnungen, viele davon im heute piekfeinen, aber seinerzeit maroden Holländischen Viertel, verfügten oft nur über eine Außentoilette. Manchmal gab es keine Heizung und wenn das Licht nicht funktionierte, zündeten die Schwarzwohner Kerzen an. Es blühte eine Alternativszene mit Überschneidungen zu oppositionellen Kreisen. Die Volkspolizei misstraute den Punks in den Szene, drangsalierte sie zuweilen und ging sogar so weit, sie als Neonazis zu diffamieren, berichtet Warnecke.

Ein paar Seiten weiter schreibt er allerdings etwas, das den Verdacht erweckt, bei einzelnen Punks habe die Polizei einen richtigen Riecher gehabt. Denn einige von ihnen wechselten zu den »Faschos«. Noch in der DDR begann die Rekonstruktion des Holländischen Viertels. Es wurden bis zur Wende aber nur wenige Häuser fertig. Noch in den 1990er Jahren gab es dort primitive Quartiere. Ein Potsdamer Hausbesetzer, der aus Niedersachsen stammte, erinnert sich gegenüber »nd«: »Damals ist mir klar geworden, warum sich die Ossis eine Plattenbauwohnung wünschten.«

Nach der von Straßenschlachten begleiteten Räumung der Mainzer Straße Ende 1990 in Ostberlin wichen Hausbesetzer von dort mit ihren Erfahrungen aus dem Westberliner Häuserkampf nach Potsdam aus. Hier kam es zur Kooperation, aber auch zu Reibereien mit den hiesigen Hausbesetzern. Die Potsdamer beklagten sich, dass die Westler Konflikte mit Nachbarn schürten, mit denen man vorher gut ausgekommen sei. Die Westberliner wunderten sich ihrerseits, dass nicht alles haarklein im Plenum ausdiskutiert wurde, dass Aufrufe zu Demonstrationen nicht geschlechtergerecht formuliert waren und es bei den Aufzügen keine extra Frauen/Lesben-Blocks gab und jeder einfach mitlaufen sollte, wie er Lust hatte.

Es ist Ironie der Geschichte, dass SPD-Baustadtrat Detlef Kaminski, der eine Vergangenheit beim oppositionellen Neuen Forum hatte, mit seiner unnachgiebigen Linie zum Hassobjekt der Besetzerszene avancierte, in der sich wiederum auch ehemalige SED-Mitglieder tummelten. Was die Szene ihm schon früher unterstellt hatte, brach ihm zur Jahrtausendwende hin das Genick. Er wurde nach Korruptionsvorwürfen abgewählt und vor Gericht gestellt.

Das war auch ungefähr die Zeit, in der wichtige besetzte Häuser wie das Boumann’s und die Villa Bertini geräumt worden sind. Die Szene wehrte sich auch mit Spaßaktionen. Dazu gehörte die ironische Aufforderung auf einem Transparent: »Räumt die Spießer!« Teils reagierten Hausbesetzer mit Gewalt darauf, dass sie immer weiter eingeengt wurden. Fensterfronten von Läden und Banken gingen zu Bruch und am Marmorpalais und im Park Sanssouci wurden heimlich Drohungen angebracht wie die: »Wenn Ihr unsere Kultur zerstört, zerstören wir Eure!«

Die Motive für Besetzungen waren vielfältig. Einige wollten nur umsonst wohnen, andere Freiräume, wieder andere legten es an auf militante Konfrontation mit dem verhassten politischen System. Heute ist die Szene in Potsdam praktisch tot. Ihr kann aber zugute gehalten werden, dass sie mithalf, dass Neonazis in Potsdam anders als anderswo in Brandenburg nie die Oberhand gewannen.

Jakob Warnecke: »Wir können auch anders«. Entstehung, Wandel und Niedergang der Hausbesetzungen in Potsdam in den 1980er und 1990er Jahren, be.bra-Verlag, 286 Seiten, br. 34 Euro

Article note: #thx4sharing! + #agree!

Wer meinen Kommentar zu Seehofers Spielerhetze minus des haarigen Anfangsvergleichs zur Kolumne ausgebaut lesen will, kann das jetzt auf Zeit.de tun. Wie bitte, ob das Neid sei? Aber nicht doch.

Tatsächlich freue ich mich, dass mit Rezo jemand in die Massenmedien kommt, der bisher so viel meiner politische Denke geteilt und einen ähnlichen Hintergrund hat und noch dazu sie massenkompatibel zu vertreten versteht. Klar, die Positionen werden nicht überall übereinstimmen, wer vernünftig und lautstark ist teilt z.B. zumindest öffentlich nur selten meine Haltung gegen Diskriminierung. Aber das kann ich später bewerten, wenn es soweit kommt. Jetzt erstmal wichtiger: Der Zeit gratuliere ich zu dem Coup, Rezo zu gewinnen.