Article note: #wow!

Jetzt bitte wieder nicht die ganz, ganz Schlauen, die kommen und meinen, dass das eigentlich ja ganz easy sei und sie Ähnliches schon vorm Frühstück handwerken würden. Weil: ich glaub euch nicht.

Der ältere Herr hier sägt aus einem Stück Holz einen klappbaren Schemel für sein Enkelkind. Und das so, dass das Stück Holz als solches nicht zu zwei oder noch mehr Stücken wird und dabei immer noch klappbar bleibt. Geil!


(Direktlink)

Article note: #nc

Harald V. von Norwegen und der Widerstand gegen die Verseuchung des Feuerlandes durch das Lachsfarming. Puerto Williams, das südlichste Dorf der Welt, am vergangenen 31. März. Knapp einhundert Demonstranten – vor allem Nachkommen der ausgerotteten Ureinwohner-Stämme der Kawéskar und Yaganes – sammeln sich vor dem örtlichen Martin-Gusinde-Museum für Völkerkunde und skandieren “¡No a las salmoneras!”, was ins Deutsche übersetzt bedeutet, “Stoppt die Lachsfarmen!”. Ein Bericht von Frederico Füllgraf.

Der Protest wird von zwei Ironien umrankt; einer lachhaften und einer zynischen. Die närrische Gegebenheit ist, dass die Zielpersonen des Protestes – das norwegische Monarchen-Ehepaar, König Harald V. und Königin Sonja – die Demonstranten von drinnen, aus dem Schutz des Museums, beobachten. Doch der an blanken Zynismus grenzende Spott ist der Umstand, dass sie sich ausgerechnet in der Gedenkstätte an den Breslauer Ethnologen und Priester der Steyler-Mission, Martin Gusinde, verstecken.

Der Völkermord – eine Rückblende

Gusinde unternahm zwischen Ende 1918 und 1924 vier Forschungsreisen nach dem Feuerland, deren Ziel es war, die von Ausrottung durch Krankheiten und Genozid durch europäische Siedler bedrohten Feuerland-Kulturvölker zu erforschen und dokumentieren. Während seines längeren, 22 Monate langen Aufenthaltes nahm Gusinde im Auftrag des Berliner Phonogramm-Archivs Lieder und Gesänge auf und betätigte sich als Pionier-Fotograf von Initiationsriten und Kultur der Feuerland-Überlebenden, deren Pracht in seinen Hauptwerken “Begegnungen auf Feuerland” und “Die Feuerlandindianer Band I-III” unübertrefflich dargestellt ist.

Gusindes Sensibilität gelang es, mit seinen Schilderungen des kulturellen Reichtums der Fueguinos genannten Ureinwohner die schon damals verbreiteten rassistischen Klischees von den vermeintlich „unzivilisierten Wilden“ zu widerlegen – Klischees, die beispielsweise von einem jungen Herren aus erlauchtem britischen Hause stammten: Sir Charles Darwin. Der damals 24-jährige Brite verbreitete doch tatsächlich in seinem Buch „Die Fahrt der Beagle“ folgende Gedanken-Perle über die Feuerland-Indianer: „Ich hätte nicht geglaubt, wie groß der Unterschied zwischen dem wilden und dem zivilisierten Menschen ist: Er ist größer als zwischen wildem und domestiziertem Tier insofern, als beim Menschen ein größeres Vermögen zur Besserung vorhanden ist.“

Manch einer fragt sich heute noch, hat Darwin mit seiner rassistischen Wertschätzung dazu beigetragen, dass die Feuerländer als „Wilde” diffamiert, zum Freiwild deklariert und damit gnadenlos ausgerottet wurden? Ferner gehört zu Gusindes Verdiensten, die Folgen des hirnlosen Darwin-Klischees zu dokumentieren und ersten Protest gegen die Tragödie anzumelden, der die Selk‘nam, Yámana und Kawéskar ausgesetzt waren.

Deren Drama begann lange vor der offiziellen Ansiedlung weißer anglikanischer Missionare und Salesianer-Katholiken um 1840. Davor hatten britische und andere europäische Jäger längst das Feuerland in einen Schlachthof hunderttausender, mit Knüppeln erschlagener Seelöwen und tausender harpunierter Walfische für die Tran-Gewinnung verwandelt. Durch Erhitzen und Auspressen war das sogenannte „Polaröl“ begehrter Brennstoff für die öffentliche Beleuchtung europäischer Städte im elektrischen Vorzeitalter.

Die Dahinschlachtung der Meeressäuger vernichtete die wichtigste Ernährungs-, Bekleidungs- und Behausungs-Grundlage der Ureinwohner, die mit ihrer Subsistenzjagd auf das Fleisch und die Häute von Seelöwen und Robben dramatisch angewiesenen waren. Dem folgte der Druck auf dem Festland mit der Ausdehnung gigantischer Estancias (Farmen) mit den Schafsherden der Wollexporteure und ab1880 den Umtrieben der Goldsucher. Beide – Estancieros und Goldsucher – führten die endgültige Ausrottung der Ureinwohner herbei.

Eingang in die Geschichte, auch in die Literatur der kolonialen Gräueltaten (Menéndez, rey de la Patagonia – Editorial Catalonia), fand der Völkermord des berüchtigten Rumänen jüdischer Herkunft, Julius Popper, der für jeden von seinen Killern umgebrachten Feuerland-Indianer dessen abgeschnittene Ohren als Beweis für die Prämienauszahlung verlangte; weshalb der Goldrausch vom Blutrausch der Orejeros, der Ohrenjäger, nicht zu trennen war, die ihre durchspießte Tagesbeute mit einer Kordel am Gürtel sammelten.

Mitte des 19. Jahrhunderts hatten nach unterschiedlichen Schätzungen etwa 4.000 Selk’nam auf dem Feuerland gelebt, doch 1930 waren es gerade noch 100 verängstigte und dahinsiechende Kreaturen, die auf dem Lazarett eines Salesianer-Ordens auf ihren Tod warteten.

Bedrohung eines internationalen Biosphärenreservats

Genau 100 Jahre nach dem niemals gesühnten Genozid landeten nun der vom Hause Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg abstammende König Harald V. und seine bürgerliche Gemahlin Sonja in Chile, begleitet von einem Pulk 60 norwegischer Unternehmer. Als offizieller Anlass diente die Feier der ebenfalls seit 100 Jahren bestehenden diplomatischen Beziehungen zwischen Norwegen und Chile. Doch den eigentlichen Grund kündigte der Monarch in seinem Vortrag mit dem Titel “Pioneering Sustainable Solutions“ an. Durch die Blume war die Absicht gemeint, neue Lachsfarmen in den Fjorden um Kap Hoorn – genauer am Beagle-Kanal – anzusiedeln.

Längst vor der Verkündung des norwegischen Plans – den Harald vorsorglich im März 2018 von argentinischer Seite mit Präsident Mauricio Macri durch Unterzeichnung einer Kooperationsvereinbarung zur Entwicklung der industriellen Lachszucht im Beagle-Kanal und an der Küste von Santa Cruz vorbereitete – hatten bereits Dutzende chilenischer Lachszucht-Unternehmen ihre langen Arme nach dem Feuerland ausgestreckt und damit die Nachkommen der Ureinwohner alarmiert. Zum einen beherbergt Puerto Williams die reinsten Süßwasservorkommen der Erde. Zum anderen steht Kap Hoorn, einschließlich des Beagle-Kanals, wo sich nun auch norwegische Lachszüchter einnisten wollen, seit 2005 als Biosphärenreservat unter dem Schutz des UNESCO-Programms “Man & Biosphere”.

Die Notwendigkeit des Reservats, das als Paradigma der subantarktischen Meeresumwelt gilt, ergab sich aus verschiedenen, miteinander vernetzten Gründen. Als relevanter ozeanographischer Standort handelt es sich um eine Gegend, die von verschiedenen Gewässer-Arten und -Verhalten beeinflusst wird – nämlich den antarktischen Tiefen-Wassermassen und den Wassermassen des Driftstroms des westlichen Südpazifiks – die aber für die Regulierung des globalen Klimas von zentraler Bedeutung sind.

Mit diesen teils komplizierten Zusammenhängen, vor allem jedoch mit ihrer bedrohten Zukunft vor Augen, gelang jedenfalls den indigenen Gemeinden im südlichen Feuerland nach jahrelangen Justizfehden die Annullierung von 344 Gewässernutzungs-Konzessionen an die Lachszüchter. Die gerichtlichen Zwangsmaßnahmen sind aber keine Garantie, sie laufen Gefahr, durch Revisionsverfahren umgekehrt für nichtig erklärt zu werden.

Der Offensive der Lachsindustrie rief schließlich auch eine internationale Koalition von Meeresschutz-Organisationen – das Forum for the Conservation of the Patagonian Sea – auf den Plan, der natürlich Greenpeace, der umstrittene WWF, jedoch auch die einflussreiche Pew-Stiftung angehören. Sie verabschiedete Anfang 2019 eine sachkundige und scharfe Erklärung gegen die Ausweitung der chilenischen Lachsfarmen von Puerto Montt und der Insel Chiloé, im nördlich gelegenen Zentral-Patagonien, nach dem Feuerland.

Nach dem Schafswolle- und Goldrausch nun das Lachsfieber

Vor Puerto Williams wurde dem norwegischen Monarchen-Ehepaar bereits auf der Plaza de Armas in Punta Arenas, der Landeshauptstadt der chilenischen Magallanes-Region, der Weg versperrt. „Willkommen König Harald, aber nicht Ihr Lachs!”, skandierten die Demonstranten. Vertreter der Yagán-Gemeinde von Puerto Williams stellten den erstaunten Lobbyisten-Monarchen mit der unerschrockenen Verlesung eines Offenen Briefes zur Rede, in dem sie den Ansiedlungs-Stopp für Lachsfarmen auf dem Feuerland forderten.

Doch weshalb sollte der Konflikt am südlichen Ende der Welt das ferne Deutschland interessieren, könnten sich an diesem Punkt so manche Leserinnen und Leser fragen. Aus einem triftigen Grund: Der Lachs ist seit spätestens 2016 der Deutschen neuer Lieblingsfisch. Mit einem Verkaufsanteil von 20,5 Prozent der Fischerzeugnisse im deutschen Einzelhandel und 15,0 Kilogramm Pro-Kopf-Jahresverbrauch feiert der Lachs seinen Siegeszug auf deutschen Tischen.

Das Angebot stammt zum überwiegenden Teil aus der Aquakultur an den Küsten Norwegens und Chiles, die für 70 Prozent der weltweiten Lachsproduktion verantwortlich sind. Und da beginnen die Probleme, vor allem in Chile. Die von den deutschen Filmemachern Wilfried Huismann und Arno Schumann gedrehte Fernseh-Dokumentation Lachsfieber: Wie der WWF das Sterben der Meere unterstützt führte bereits 2010 den Zuschauern ein niederschmetterndes Zeugnis der katastrophalen Lachszüchtung in Patagonien vor Augen.

Die verseuchte Küste Süd-Patagoniens

Der Fokus des Films richtete sich auf das norwegische Unternehmen Marine Harvest, neuerdings als MOVI bekannt. Mit 50 Prozent der Lachszucht-Konzessionen ist Marine Harvest zweitgrößter Lachserzeuger Chiles; ein Land, das vor Norwegen, Schottland, Kanada und den USA 26 Prozent der gesamten Unternehmensgewinne ausweist. Vergeblich versuchten sie John Fredriksen – Marine Harvest/MOVIs Haupt-Anteilseigner, Besitzer der größten Öltankerflotte der Welt und eines geschätzten Nettovermögens von 7 Milliarden Euro – ein Interview über vielfältige Umweltvergehen und tödliche Arbeitsunfälle von Firmen-Tauchern zu entlocken – doch ohne Erfolg.

Im Übrigen: Weil sich der Magnat weigerte, in Norwegen auf seine stolzen 7 Milliarden Euro Steuern zu zahlen, setzte er sich bereits in den 1990-er Jahren zunächst nach Zypern und von dort nach London ab, deren City eng verzahnt ist mit internationalen Steueroasen. Als eiskaltem Manager gelang es ihm beispielsweise 2014, die Sanktionen gegen Russland zu unterlaufen und zwischen seiner Firma Seadrill und dem Ölgiganten Rosneft ein Milliarden-Euro-Deal auszuhandeln.

Marine Harvest wird jedenfalls seit Jahren wegen seiner schwimmenden Lachsfarmen die großflächige Verseuchung des südchilenischen Pazifiks vorgeworfen. Die Vorwürfe begannen mit dem Import infizierter Lachs-Rogen aus Norwegen, die als heranwachsende Lachse in bis zu 80.000 überfüllte, schwimmende Käfige an der Küste der südchilenischen Provinz Los Lagos eingesperrt und gemästet werden. Die Tiere werden vor allem mit Tabletts aus zu Fischmehl zermalmten Jurels, eine Makrelen-Art aus der Familie der Thunfische, gefüttert, die seitdem als Frischkost auch armer Chilenen fehlt und wegen Überfischung auf der roten Liste der von Ausrottung bedrohten Fischarten des südlichen Pazifiks steht. Der Raubbau spiegelt sich in der ökologisch absurden Rechnung wider: 5 kg Makrele für 1 kg Gewichtszunahme eines Zuchtlachses.

Doch bald eskalierten die Umweltverstöße zum Gegenstand der öffentlichen Gesundheit. Nach Angaben von Juan Carlos Cárdenas – Veterinärmediziner und Vorsitzender des chilenischen Meeresschutz-Verbandes Ecocéanos – hat die Lachsindustrie in den vergangenen zwanzig Jahren mit der Einfuhr der Eizellen aus Norwegen mehr als zwanzig bakterielle, virale und parasitäre Krankheiten an der Küste Südchiles verbreitet.

Der “Zombie“-Lachs

Den Lachsen werden jedoch täglich Antibiotika verabreicht, die ihre Darmflora antibiotika-resistenten Bakterien aussetzen. Wenn Verbraucher Lachs mit antibiotischen Rückständen in ihren Muskelgeweben verzehren, nehmen sie wegen den immunisierten Bakterien auch ein hohes Gesundheitsrisiko auf sich. In einem Beitrag für den Sender Radio Universidad de Chile vom 25. Juli 2018 wiederholte der Veterinärmediziner seine Warnungen und alarmierte vor der Antibiotika-Bombe. In Chile, so Cárdenas, wird je Tonne gezüchteten Lachses 700 (siebenhundert!) Mal mehr Antibiotikum eingesetzt als in Norwegen, Kanada und den USA. Seitdem heißt der Chile-Lachs, insbesondere der aus der Marine-Harvest-Zucht, in Kreisen kritischer Veterinärmediziner und der Umweltschützer der Zombie-Lachs.

Es kommt aber noch dicker: Die in den Zuchtkäfigen täglich mit Antibiotika versetzten und verfütterten Fischmehl-Pellets werden nur zu 40 Prozent von den Tieren absorbiert, der überwiegende Teil der Nahrung fällt durch die Käfiggitter und dringt auch durch Urin und Fäkalien in die offenen Meeresgewässer; die optimalen Bedingungen für die Entwicklung von Antibiotika-resistenten Bakterienstämmen und den Wildwuchs von Killer-Algen. Im Jahr 2015 hatte mir Cárdenas bereits für die Reportage Chiloé, oder: Die Katastrophen von Salmonopoly die eigentlichen Ursachen eines damaligen Angriffs roter Killer-Algen (genannt “marea Roja“ – rote Flut) an der Küste der Insel Chiloé als Folge einer seit 25 Jahren andauernden Flächenexpansion und wilder Produktionsweise auf Raubbau-Grundlage der Lachs-Megazüchter erklärt.

Das Bewirtschaftungsmodell der Lachsfarmen geht mit völliger Missachtung der Belastbarkeit der empfindlichen lokalen Ökosysteme vor. Mit ausufernder organischer Vergiftung durch Futtermittel und Fäkalien generiert es akute Eutrophierungen, die der marinen Umwelt extrem hohe Phosphor- und Stickstoffmengen zuführen und die explosionsartigen Algenblüten beschleunigen. Jede Tonne gemästeter Lachse gibt jährlich 72 Kilogramm Stickstoff an das Seewasser ab, was vergleichsweise dem Stickstoffausstoß von 19.000 Menschen entspricht. Cárdenas warnte schon damals, die gesamte südchilenische Küste sei größter Gefahr ausgesetzt. Die sogenannte “rote Flut” hatte längst die Fjorde und Binnengewässer-Kanäle verlassen, breitete sich an der Küste aus und strömte hinaus auf offene See. Sie bedrohe die Biodiversität, die öffentliche Gesundheit, die Arbeit und das Leben der chilenischen Küstengemeinden.

Dass die Käfige nur leidlich gegen Unwetter, geschweige denn gegen Stürme gesichert sind, erklärte denn auch ein Massenausbruch von 800.000 Marine-Harvest-Lachsen im Juli 2018. Das chilenische und weltweite Fernsehen warnte zwar davor, die mit Antibiotika angereicherten Lachse seien nicht für den menschlichen Verzehr geeignet, doch schon wurden hunderte von ihnen von Fischern in Puerto Montt wieder eingefangen und zum Spottpreis von 800 Pesos – umgerechnet 1,20 Euro – das Kilo angeboten. Wenige Tage später bestätigte ein Nationalpark-Beamter im 510 Kilometer weit entfernten Puelo-See auf argentinischem Boden, dass das plötzliche Fischerei-Treiben an den Läufen des in den chilenischen Pazifik mündenden Puelo-Stroms mit den in Chile entflohenen Lachsen zu tun hatte, die stromaufwärts geschwommen waren und zur Lachspest eskalierte – eine Pest mit verheerenden Folgen.

Zurück zum Monarchen-Besuch. Als sei es eine “Präventiv”-Maßnahme vor dem hohen Besuch aus Norwegen gewesen, hatte Ende März 2019 Staatssekretär Carlos Maillet vom chilenischen Dienst für Denkmalpflege ohne Angabe von Gründen die fristlose Entlassung des Soziologen Alberto Serrano als Direktor des Martin-Gusinde-Museums in Puerto Williams erwirkt. Serrano war als Fachmann mit engen Beziehungen zur indigenen Yagana-Gemeinde bekannt und demzufolge von der Regierung Sebastián Piñera verdächtigt, mit der Opposition gegen die Lachsfarmer zusammenzuarbeiten. Seine Entlassung wurde als Opfergabe an die transnationale Lachsindustrie gewertet.

Schließlich ist die Ausweitung der transnationalen Lachsindustrie vom chilenischen und argentinischen Patagonien ins Feuerland nach Angaben des Interamerikanischen Verbands für den Umweltschutz (IADA) nicht etwa als Erfolg der in Puerto Montt und Chiloé ansässigen intensiven Lachszüchtung, sondern ganz im Gegenteil als deren ökologischer Zusammenbruch zu verstehen. Mit ihrer Auslagerung in die Biosphärenreservate von Kap Hoorn und Torres del Paine erhoffen sich die Lachsfarmer neue Bedingungen hygienisch-ökologischer Unberührtheit für die Fortsetzung ihres Milliardengeschäfts mit dem „Zombie-Lachs“.

Article note: "Worauf man relativ schmerzfrei verzichten kann, wo man eine reale Alternative hat, dort ist man auch verdammt nochmal verantwortlich für das, was man tut oder nicht tut und darf sich nicht damit herausreden, dass 'alle anderen das ja auch tun' oder es 'sowieso nichts bringt'."

Was tun? Fridays for Future, Verantwortung und "moralischer Konsum"

Article note: #danke!
CC0

Seit Juli 2016 darf ich den Bereich „Internet“ im ZDF-Fernsehrat vertreten. Was liegt da näher, als im Internet mehr oder weniger regelmäßig Neues aus dem Fernsehrat zu berichten? Eine Serie.

Archive haben ein Imageproblem. Wenn von Archiven oder dem Archivieren die Rede ist, denken die meisten Menschen an langweilige und bürokratische Verwaltungsarbeit, an verstaubte Regale und dunkle Keller voller Kisten und Aktenordner. Dabei waren – gut sortierte – Archive immer schon von großem Wert für die Gesellschaft im Allgemeinen und Medienorganisationen im Besonderen. Dem legendären ORF-Journalisten Robert Hochner wird beispielsweise das Zitat zugeschrieben, dass „die Rache der Journalisten an den Politikern das Archiv [ist].“

Im digitalen Zeitalter ist die Bedeutung gut organisierter Archive aber noch einmal gestiegen. Die Pflege und Aufbereitung von Archiven und Archivinhalten verdient deshalb auch im Kontext des öffentlich-rechtlichen Rundfunks viel mehr Aufmerksamkeit als bisher.

1) In der nicht-linearen Welt sind (fast) alle Inhalte Archivinhalte

Mit steigender Bedeutung nicht-linearer Online-Angebote nimmt die Bedeutung des Archivs zu. Mediatheken sind eigentlich nichts anderes, als der frei zugängliche Teil eines Archivs. Werden Sendungen wie Jan Böhmermanns „Neo Magazin Royale“ oder Serien wie „Bad Banks“ noch vor ihrer Ausstrahlung im linearen Programm in der Mediathek veröffentlicht, entspricht das eigentlich der Idee „Archive zuerst!“.

Aber auch jenseits der Mediatheken, auf vergleichsweise jungen Plattformen wie YouTube ist das Archiv von großer Bedeutung für die Gesamtreichweite. Das Verweildauerkonzept des öffentlich-rechtlichen Jugendangebots „funk“ sieht deshalb auch keine Depublizierung von Inhalten vor, die auf YouTube veröffentlicht wurden. Im Bericht zu „Stand und Entwicklung von funk“ wird stattdessen die große Bedeutung älterer Videos für die Gesamtreichweite betont:

Durch die Publikation neuer Inhalte, Vernetzung und Suchfunktion der Plattform selbst werden ältere Beiträge immer wieder in Erinnerung gerufen und genutzt. So wurden im September 2018 rund 59 % aller funk-Abrufe auf YouTube durch Videos generiert, die vor mehr als 30 Tagen publiziert wurden.

Natürlich gibt es auch Ausnahmen vom Primat des Archivs, vor allem insoweit es um Inhalte wie Sportübertragungen oder Nachrichten geht, bei denen Live-Streams dominieren. In diesem Bereich folgt auch die Archivnutzung noch am ehesten einer linearen Logik, dominiert zeitversetzt das Nachsehen verpasster Sendungen. Gleichzeitig eignen sich Aufzeichnungen von zeitgeschichtlich relevanten Live-Streams oftmals besonders gut für eine anschließende Veröffentlichung unter offenen Lizenzen – und damit für eine Einbindung in freie Wissensarchive wie die Wikipedia.

2) Archivarische Praktiken sind algorithmische Praktiken

Je größer die Menge an digital verfügbaren Archivinhalten jenseits der linearen Programmschemata der Sender, desto größer wird auch die Bedeutung von Such- und Empfehlungsalgorithmen. Diese Algorithmen ermöglichen und regulieren gleichermaßen den Zugriff auf Archivinhalte. Besonders aus einer öffentlich-rechtlichen Perspektive ist damit die besondere Herausforderung verbunden, sowohl individiualisierter Nachfrage als auch dem demokratischen Programmauftrag zu entsprechen.

In einem lesenswerten Aufsatz zu genau diesem Spannungsfeld zwischen „Algorithmische[n] Vorschlagsysteme[n] und der Programmauftrag“ (PDF) argumentieren Nikolaus Pöchhaker und Kolleg:innen, dass „öffentlich-rechtliche Sendeanstalten noch viel mehr als bisher auf datengetriebene Vermittlung von Inhalten setzen [müssen], um den Programmauftrag in digitalen Umwelten erfüllbar zu machen.“ Konkret fordern sie, dass „Diversität von vermittelten Informationsangeboten durch die gezielte Gestaltung und Einbettung algorithmischer Vorschlagssysteme erzeugt werden [muss].“

Die dafür notwendig erachtete Verknüpfung von „datenwissenschaftlicher und journalistischer Expertise“ rückt aber wiederum archivarische Aufgaben und Praktiken ins Zentrum. Eine möglichst umfassende „Verdatung“ von Inhalten, die heute oft erst nach der Erstausstrahlung im Zuge der „Archivierung“ erfolgt, ist Grundvoraussetzung für die Verarbeitung von Inhalten in Such- und Empfehlungsalgorithmen. Sie muss deshalb jeder Veröffentlichung vorausgehen und ist idealerweise bereits Teil der Produktionsabläufe.

Archivarische Praktiken wie die Erfassung von Metadaten oder die Kategorisierung und Beschreibung von Inhalten sind demnach zunehmend Teil von algorithmischen Praktiken. Gerade für öffentlich-rechtliche Empfehlungsalgorithmen, die sich eben nicht nur an Klickzahlen, sondern (auch) an Idealen demokratischer Öffentlichkeit orientieren, ist archivarische Arbeit von entscheidender Bedeutung.

3) Öffnung von Archiven als Investition begreifen

Die Organisation der öffentlich-rechtlichen Anbieter wird dieser gewachsenen Bedeutung von Archiven sowie archivarischen Praktiken jedoch bislang nicht in ausreichendem Maße gerecht. Das lag bis zu einem gewissen Grad an überaus restriktiven Vorgaben für öffentlich-rechtliche Archive, die online zugänglich gemacht werden sollen.

In dem leider nicht online verfügbaren Beitrag „Archivbestände der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten ins Netz!“, kritisiert Rabea Limbach von der „Hauptabteilung Information, Dokumentation und Archive des SWR“, dass in den Mediatheken „keine Archivbestände in ihrer Gesamtheit eingebracht werden [können]“. Vielmehr muss „stets eine Auswahl und im Sinne des Sendeauftrags eine nutzerbezogene Aufbereitung und Gestaltung vollzogen werden“. Also quasi das Gegenteil von zeitgemäßen Open-Data-Ansätzen, wo Inhalte möglichst unverarbeitet bereit gestellt werden. Limbach dazu:

[K]eine andere öffentliche Kulturinstitution wird … geradezu gezwungen, zu legitimieren, warum die von ihnen ausgewählten und online gestellten Inhalte „kultur- und sozialhistorisch“ von besonderer Relevanz und Bedeutsamkeit sind. Das in den Telemedienkonzepten vorhandene „Trichterprinzip“ (je länger ein Inhalt online steht, desto „wertvoller“ muss er sein) ist eins, das dem eigentlichen Grundverständnis von Archivaren und Geisteswissenschaftlern in einer pluralistischen Gesellschaft widerstrebt: denn wer sollte entscheiden, welche Inhalte gerade diese „Relevanz“ haben?

Im Ergebnis werden deshalb bei öffentlich-rechtlichen Anstalten viel mehr Inhalte archiviert als der Gesellschaft online zur Verfügung gestellt.

Das liegt allerdings nicht nur am Rundfunkrecht und an zu restriktiven Telemedienkonzepten. Noch größer als die rundfunkrechtlichen sind nämlich die urheberrechtlichen Einschränkungen. So ist Limbach zu Folge eine aufwändige „Einzelfallprüfung jeder Produktion vor einer Online-Stellung zwingend notwendig“. Die Archivare kämpfen hier auch mit historischen Versäumnissen. So wurden Rechte an einzelnen Produktionen häufig nur zur Ausstrahlung und für einzelne Wiederholungen im Fernsehen und Hörfunk erworben. Hinzu kommen Fragen des jeweils anwendbaren, vom Veröffentlichungszeitpunkt abhängigen, Urheberrechts sowie des Persönlichkeitsrechts: wer ist als „Person der Zeitgeschichte“ anzusehen und darf deshalb auch ohne Zustimmung in Beiträgen online gezeigt werden?

Aus all diesen Gründen ist es entscheidend, Aufwendungen für Archive nicht mehr nur als Kosten zu sehen, die es zu minimieren gilt. Im Gegenteil, Digitalisierung von und öffentlicher Zugang zu Archivinhalten ist eine Investition in die Zukunft. Um die oben skizzierten Chancen digitaler Archive für öffentlich-rechtliche Angebote im Netz optimal nutzen zu können, braucht es eine doppelte Öffnung.

Doppelte Öffnung öffentlich-rechtlicher Archive

Erstens gilt es, Inhalte überhaupt digital zu erfassen und online zugänglich zu machen. Diese Erfassung sollte sich nicht nur an klassisch-archivarischen Kriterien, sondern auch bereits an den Erfordernissen neuer, öffentlich-rechtlicher Such- und Empfehlungsalgorithmen orientieren.

Zweitens sollten die ohnehin notwendigen Aufwände zur Rechteklärung im Einzelfall gleich dafür genutzt werden, Inhalte nach Möglichkeit unter offenen, Wikipedia-kompatiblen Lizenzen bereitzustellen. Denn gerade ältere, zeithistorisch relevante Inhalte sind naturgemäß von besonderer enzyklopädischer Relevanz und eigenen sich deshalb besonders gut dafür, in die freie Online-Enzyklopädie oder andere freie Wissensprojekte eingebunden zu werden.

Natürlich würde es sich anbieten, die für diese doppelte Öffnung notwendigen Investitionen auch kommunikativ entsprechend zu begleiten. Warum nicht ab sofort jährlich pro Anstalt unter dem Motto „1.000 Stunden für das Internet“ Inhalte – in offenen Formaten und unter offenen Lizenzen – zur freien Verwendung im Netz veröffentlichen? Ganz nebenbei würde so ein Projekt auch zur Profilierung und Legitimierung öffentlich-rechtlicher Online-Angebote beitragen.

Die digitale Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen liegt in der Öffnung ihrer Archive.


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