Götz Kubitschek am 9. Feburar 2015 als Pegida-Redner in Dresden © dpa / Arno Burgi
Götz Kubitschek am 9. Feburar 2015 als Pegida-Redner in Dresden © dpa / Arno Burgi

Um den geplanten Auftritt von Götz Kubitschek im Theater Magdeburg gibt es Streit. Der Soziologe Andreas Kemper sagt: zu Recht! Er fordert „Ausgrenzung ausgrenzen“.

Gestern las ich zwei Mitteilungen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben: (1) alle Bundesländer verstoßen bei der Zulassungspraxis von Privatschulen gegen das Grundgesetz, weil Akademikerkinder privilegiert werden; (2) der neurechte Chefideologe Götz Kubitschek wird vom Theater Magdeburg zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Das Verbindende dieser beiden Meldungen ist die Antwort auf die Frage: Wer wird kulturell gepuscht und wer muss draußen bleiben?

Ein Gastbeitrag von Andreas Kemper

2010: Klassenrassistische Medienkampagne für die Ausgrenzung

2010 fand eine Medienkampagne für ein „Sachbuch“ statt, die alles bisherige in den Schatten stellte. Eine Woche vor dem Erscheinen von Thilo Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“, herausgegeben von Europas mächtigstem Medienkonzern Bertelsmann, brachte die BILD vom 23. bis zum 28.9.2010 sechs mal einen ganzseitigen Vorabdruck. Auch der SPIEGEL ließ sich nicht lumpen und brachte eine Woche vorher, am 23.09., einen Vorabdruck über mehrere Seiten. Der FOCUS brachte am 23.09. einen längeren Kommentar über Thilo Sarrazin, in dem er parallel zur Medienkampagne für Sarrazin als Opfer „jagdfiebriger Medienwächter“ stilisiert wurde („Die verlorene Ehre des Thilo S.“ war der anmaßende Titel). Jedes noch so dämliche Buch wäre mit einer solchen Medienkampagne von BILD, Bertelsmann, SPIEGEL, FOCUS (ja, und auch die FAZ machte mit) zum Megabestseller geworden. Zentrale Forderung im Buch von Sarrazin war Ausgrenzung: Die Grenzen müssen dicht gemacht werden, die „Unterschicht“ dürfe nicht mehr so viel Kinder kriegen, Abschaffung des Kindergeldes und Ersetzung durch eine 50.000 Euro-Pauschale für „erbintelligente“ schwangere Studentinnen, usw. Menschenkorrekturen, Bevölkerungskorrekturen, Ausgrenzung.

Pierre Bourdieu nennt das, was 2010 von den Mainstreammedien gepuscht wurde, „Rassismus der Intelligenz“ oder auch „Klassenrassismus“. Die extreme soziale Selektivität, die unser Bildungssystem grundgesetzwidrig durchzieht und machtvoll und interessengeleitet aufrecht erhalten wird, bekam durch Sarrazin noch eine biologistische Rechtfertigung nachgeliefert. Sarrazin brachte die Nazi-Vokabel der „Bildungsunfähigkeit“ bestimmter Gesellschaftsschichten ins Spiel. Seither erfreuen sich lustige Bücher über die „Kevins“ und „Schantalls“ großer Beliebtheit – wie blöd doch die „Unterschicht“ ist… hahaha.

Wer wird ausgegrenzt, wer wird gepuscht?

Wer wird in die „Hochkultur“ inkludiert, wer wird aus der Kultur exkludiert? Exkludiert werden nach wie vor und eher zunehmend die Menschen, die freundlicherweise nicht als „Untermenschen“, sondern als „Unterschicht“, die freundlicherweise nicht als „Asoziale“, sondern als „Sozialschwache“ bezeichnet werden. Inkludiert in die „Hochkultur“ werden Personen wie Sarrazin, also zweitklassige Plagiatoren von Rassenhygienikern, die auf inhaltliche Kritik mit Schweigen oder Opferselbststilisierung antworten. Inkludiert werden Exkludierer. Inkludiert werden Personen, die Menschen- und Bevölkerungskorrekturen wollen, die am liebsten wieder Korrektionsanstalten hätten, die Korrektheit ohne politische Hinterfragung wünschen, die emanzipatorische Korrektheit hassen, weil sie die Korrektheit des Obrigkeitsstaates, die preußische Korrektheit der Untertanenmentalität herbeisehnen, wo wieder jeder weiß, wer über einen, aber zum Glück aber auch, wer unter einen sei.

Vor dem Hintergrund der sozialen Selektion, die wir in Deutschland haben, und die vor allem im kulturellen Bereich stattfindet, denn gerade hier werden Arbeiterkinder zu einem Studium sehr selten zugelassen, hatte es mich damals sehr erbost, dass ausgerechnet das Brecht-Ensemble Thilo Sarrazin eine Bühne geben wollte. Die Bühne wurde gestürmt, es wurde eklig, was hatten die Verantwortlichen erwartet? Nun also will das Theater Magdeburg Götz Kubitschek eine Bühne geben. Natascha Strobl, die mehrere Bücher zu der Neuen Rechten und der Identitären Bewegung mitverfasste, schrieb bei Facebook den Kommentar: „Oh Mann, wieder so abgehobene Kunstmenschen, die meinen sie könnten ganz edgy mit Rechtsextremen diskutieren, weil sie ganz anders sind als alle anderen.“ Damit trifft sie genau den Punkt. Götz Kubitschek könnte man einladen, um ihm genau eine Frage zu stellen: Wer ist der Neonazi „Landolf Ladig“, handelt es sich um Björn Höcke, dem Kubitschek seinen letzten Artikel widmete? Diese Bühne dürfte man Kubitschek geben, mehr nicht. Das wäre genau genommen keine Podiumsdiskussion, sondern eine Vorladung. Das wäre in Ordnung. Aber das ist wohl kaum geplant.

Der Kampf gegen „entartete Kultur“

Kubitschek und seine Leute sind nicht an egalitären Diskussionen interessiert. Er selber störte mit seiner „Konservativ-subersiven Aktion“ 2008/2009 sechs Veranstaltungen, unter anderem eine Lesung von Günther Grass. Er gilt der sogenannten „Identitären Bewegung“ als Vorbild. Martin Sellner, Obmann der „Identitären Bewegung“ (IB) in Österreich, war Anfang des Jahres mehrere Wochen in Kubitschek „Rittergut Schnellroda“ und machte dort eine Art Praktikum. Die IB störte im September diesen Jahres eine Veranstaltung mit Margot Käßmann im Maxim Gorki Theater. In Österreich stürmten ca 30 Mitglieder der IB eine Theateraufführung von Elfriede Jelinek „Die Schutzbefohlenen“. Sie gingen mit Gewalt vor, es gab acht Anzeigen wegen Körperverletzung. Die IB entrollte ein Transparent mit der Aufschrift „Unser Widerstand gegen eure Dekadenz“. „Entartete Kultur“ hätten die Nazis gesagt und das Wort „Entartung“ gehört selbstverständlich zum Repertoire dieser Leute und sie meinen damit durchaus „rassische“ „Entartung“.

Zum Sortiment von Kubitscheks Antaois-Verlag gehört Philippe Rushtons „Rasse, Evolution und Verhalten“. Auf dieses Buch bezog sich Björn Höcke während seiner Rede in Kubitscheks „Institut für Staatspolitik“, als Höcke rassenbiologisch vom „europäischen Platzhaltertypen“ und „afrikanischen Ausbreitungstypen“ sprach. Höckes Problem: Der „europäische Platzhalteryp“ sei heute „dekadent“, seit 1945 „neurotisiert“ und seit 1968 „pervertiert“. Die AfD sei die „letzte evolutionäre Chance“, es ginge um „Sein oder Nicht-Sein der Völker“, es ginge beim „Weg zum totalen Triumph“ vor allem um „Begriffsherrschaft“ und das heißt bei Höcke anscheinend, um die Wiederherstellung von NS-Rhetorik. Rushton war zudem der Chef vom rassenbiologischen Pioneer Fund, welches mit dem rassenbiologischen Magazin „Mankind Quarterly“ zusammenhängt, aus dem wiederum Thilo Sarrazin indirekt seine „Erkenntnisse“ über „Erbintelligenz“ bezog.

Ausgrenzung ausgrenzen

Vor dem Hintergrund der transatlantischen Faschisierungsprozesse wäre es wichtig, die soziale Selektion, die kulturelle Ausgrenzung schnellst möglich zu beenden. Kulturelle Einrichtungen sollten gegen Klassismus und Klassenrassismus vorgehen, sie sollten sich selber hinterfragen, sie sollten dazu beitragen, dass Menschen mit sogenannter „niedriger“ sozialer Herkunft sich autonom politisch organisieren und sie sollten Eltern aus dem akademischen Milieu einen Spiegel vorhalten, der die Folgen ihres Klassismus im Bildungsbereich zeigt. Die Alliierten forderten 1948 nach der Befreiung vom Nationalsozialismus im Zuge der Entnazifizierung ein einheitliches Bildungssystem in Deutschland, in dem Kinder vom 6. bis zum 15. Lebensjahr gemeinsam in eine Klasse gehen, ohne Selektion (Direktive 54). Dies sei wichtig, um die Untertanenmentalität der Deutschen zu beenden. Vor allem die bessergestellten Eltern wollten davon nichts wissen und bis heute verhindern sie aktiv die Beendigung der Bildungsbenachteiligung von Arbeiterkindern. Spiel nicht mit den Schmuddelkindern. Aufgabe von Kulturträgern wäre es, diesen Eltern die Leviten zu lesen, diese ausgrenzende Einstellung zu problematisieren und zu beenden. Unsere Gesellschaft hat seit Jahrzehnten einen Teil der Gesellschaft abgespalten und für überflüssig und mangelhaft erklärt. Sie hat zudem mit großem Aufwand der Mainstream-Medien die menschenverachtende Positionen von Sarrazin und Co. normalisiert. Dies rächt sich nun durch ein abwegiges Wahlverhalten eines großen Teils der männlichen sogenannten „Unterschicht“, die erfahrenen Klassenrassismus in aktiven Rassismus umwandelt. Und es droht, dass die proletarische Protestmännlichkeit komplizenhaft an Höcke und Kubitschek andockt. Statt also in Selbstüberschätzung den Sarrazins, Höckes und Kubitscheks weiter Podien zu bieten, sollte der Trump-Schock als zweite Warnung nach dem PISA-Schock verstanden werden: Grenzt die „untere“ Klasse nicht weiter von Bildung und Kultur aus, grenzt die Ausgrenzung aus, ladet Kubitschek aus.

Der Beitrag Grenzt die Ausgrenzung aus erschien zuerst auf Störungsmelder.

Am Montag und Dienstag versetzte ein Ausfall mehrerer hunderttausend Telekom-Router die deutsche Cyberlandschaft in Aufruhr. Dass der Ausfall mit einem Angriff in Verbindung steht, wurde recht früh von Telekom und Innenministerium bestätigt.

Das Einfallstor, so stellte sich bald heraus, war eine offen dem Internet ausgesetzte Fernwartungsschnittstelle. Ein kurzes Lauschen auf Port 7547 einer öffentlichen IP bestätigte (spätestens) nach wenigen Minuten eine Angriffswelle mit versuchter command injection:

telekom-code

Der abgebildete Request will eine Lücke im TR-069-Befehl für das Setzen eines NTP-Servers ausnutzen, um eine Datei von einer fremdem Domain per wget herunterzuladen und auszuführen.

Für viele (auch mich) schien der Fall klar: Die Telekom-Router schienen eine Remote Code Execution im TR-069 zu haben – viel schlimmer hätte es kaum kommen können.

Es blieb jedoch eine wichtige Frage offen: Warum stürzten die Router ab, statt sich mit der Payload zu infizieren? Die Vermutung lag nahe, dass die Angreifer einen Bug im Payload oder Exploit-Code hätten. So könnten der Crash und die ausbleibende Infektion der Geräte erklärt werden. Den Angreifern schien irgendwo ein kleiner, aber entscheidender Fehler unterlaufen zu sein, der ihnen die Übernahme von 900.000 Geräten zu verhageln schien. Oder etwa nicht?

Zumindest nicht ganz. Während viele (auch ich) sich auf das Exploit-Binary stürzten, um den Fehler zu finden, besorgte sich Ralf-Philipp Weinmann erstmal in Ruhe eines der betroffenen Geräte. Dazu hat er eine erstklassige Analyse auf Englisch verfasst, die ich hier kurz in vereinfachten deutschen Worten zusammenfassen möchte:

Seine erste Erkenntnis: Auf den Telekom-Geräten lief gar kein Linux, das Voraussetzung für das Funktionieren des Befehls im TR-069-Exploit wäre. Mit anderen Worten: Sie waren gegen den beabsichtigten Angriff immun und somit wohl kaum Ziel des Angriffs.

Die nächste Hypothese wäre gewesen, dass sie zwar die Schwachstelle im TR-069 hätten, aber aufgrund des nicht interpretierbaren Befehls abschmieren würden. Wie Ralf feststellte, führte aber ein einmaliges Senden des Exploits zu gar keiner Reaktion der Geräte. Mit anderen Worten: Sie schienen nicht nur gegen den Exploit, sondern auch gegen den TR-069-Request selbst immun zu sein. Erst durch mehrmaliges Zusenden des Requests ließen sich die Geräte langsam aus dem Tritt bringen, bis sie irgendwann gar nicht mehr reagierten.

Was war also geschehen?

Im großen weiten Internet wütet gerade eine Welle von versuchten TR-069-Angriffen. Viele vermeintlich infizierte Geräte scannen fortlaufend das Internet und sorgen dafür, dass jede öffentliche IP-Adresse annähernd im Minutentakt einem Angriffsversuch auf Port 7547 ausgesetzt ist. Die Telekom-Geräte haben den Port offen, waren jedoch gegen diesen speziellen Code-Injection-Angriffsversuch immun. Sie hatten weder die Schwachstelle noch das Betriebssystem, auf das sich dieser Exploit richtet.

Offenbar hatten sie jedoch eine DoS-Vulnerability im Interpretieren von TR-069-Befehlen. Dadurch wurden sie – von den Angreifern unbeabsichtigt – durch die Häufigkeit der Zugriffe zum Absturz gebracht. Ärgerlich für die Angreifer, ärgerlich für die Telekom, ärgerlich für die Kunden – ein bedauerliches Missverständnis, dessen Ergebnis der Ausfall von fast einer Million Internet-Anschlüsse ist, der nicht verharmlost werden sollte: Er konnte sogar ohne Absicht des Angreifers ausgelöst werden.

Was hat die Telekom falsch gemacht?

  1. Der TR-069-Port hätte über das Internet nicht von arbiträren IP-Adressen erreichbar sein dürfen – dafür gibt es ACLs, Firewalls und getrennte Management-Netze. Darauf wurde die Telekom schon 2014 von ihren eigenen Kunden aufmerksam gemacht.
  2. Die Verarbeitung der TR-069-Befehle hat darüber hinaus einen Fehler, der vermutlich im Verantwortungsbereich des Zulieferers der Geräte liegt. Entsprechend blockiert die Telekom gerade Zugriffe von außen auf diesen Port und versorgt die Geräte mit Firmware-Updates.

Vielen Dank an dieser Stelle an Ralf-Philipp, der der Angelegenheit in Ruhe auf den Grund gegangen ist, während viele (andere, inklusive mir) zunächst auf der falschen Fährte waren, dass die Telekom-Router tatsächlich Ziel und nicht etwa Kollateralschaden der Angriffswelle waren.

Der Beitrag erschien zuerst auf dem Blog von Linus Neumann. Er war außerdem bei den tagesthemen zu Gast, um über den Angriff auf die Telekom zu berichten.

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Das Landgericht Dresden hat heute in einem Berufungsverfahren eine bereits im Mai vom Amtsgericht augesprochene Geldstrafe gegen Pegida-Führer Lutz Bachmann bestätigt. Bachmann selber nahm an der Verhandlung nicht teil.

„Bachmann war im Mai in erster Instanz wegen herabwürdigender und hetzerischer Beleidigungen von Flüchtlingen zur Zahlung von 9 600 Euro verurteilt worden. Dieses Strafmaß ist jetzt bestätigt worden.

Beim ersten Verfahren hatte der Pegida-Führer noch bestritten, in Facebook-Postings Flüchtlinge als „Gelumpe“, „Dreckspack“ und „Viehzeug“ bezeichnet zu haben. Vor drei Wochen ließ er über seine Anwältin jedoch mitteilen, dass er die Vorwürfe nun einräumt.“